„Eine Herzensangelegenheit…seit 150 Jahren“ – so lautet das Motto, unter dem das Josefshaus Olpe im Jahr 2015 stolz seinen 150. Jahrestag feierte. Die Auftaktveranstaltung gab den Startschuss für das Jubiläumsjahr. Zahlreiche Vertreter von Jugendhilfeeinrichtungen, Fachöffentlichkeit, Orden, Stiftung sowie des Trägers und die Mitarbeiter folgten der Einladung in die Kirche des Mutterhauses der Franziskanerinnen in Olpe.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung wurde deutlich: hier geht es um etwas ganz Besonderes: Eingeläutet wurde die Runde nicht etwa mit wohlwollenden Worten des Dankes für 150 Jahre Fürsorge für bedürftige Kinder. Nein, es war der überaus beeindruckende Film über das Leben und die Menschen im Josefshaus, der die zahlreichen Besucher des Tages eintauchen ließ in das, was die Einrichtung heute ausmacht, mit seiner wertschätzenden Haltung der Mitarbeiter, der Professionalität im Umgang mit den Beteiligten, wie auch des liebevollen Umsorgens der Kinder und Jugendlichen, die hier wohnen und ihren sicheren Ort finden wollen, – nach 150 Jahren ständiger Weiterentwicklung im steten Wandel der Zeit und wachsender Bedarfe.
„Das sind bewegende Bilder, die sehr gut ausdrücken, was die Arbeit bedeutet: Den Kindern ein beruhigendes Gefühl geben, sie unterstützen, um stark und selbstbewusst in ein gelingendes Leben zu starten. Es ist eine Aufgabe, die Sinn macht und der franziskanischen Grundhaltung entspricht.“, so GFO-Geschäftsführer Markus Feldmann nach der Begrüßung der Gäste. Das Josefshaus sei immer in Bewegung und müsse sich immer wieder an neue Herausforderungen anpassen. Mit dem Blick auf 150 Jahre bedankte sich der Geschäftsführer bei allen Mitarbeitern und auch den Schwestern für die guten Ideen und ihr Engagement.
Auch Sr. Mediatrix, Vorsitzende des Stiftungsvorstandes der Maria-Theresia-Bonzel –Stiftung, liegt die Einrichtung sehr am Herzen. Sie berichtete von den Anfängen der Franziskanerinnen. Bereits 1863 übernahm die Selige Mutter Maria Theresia Bonzel die Verantwortung für Waisenkinder. Erst zwei Jahre später wurde die offizielle Genehmigung erteilt, was wir heute als „Betriebserlaubnis“ bezeichnen. Schon damals haben die Schwestern die Kinder nach ihren Möglichkeiten versorgt, um sie vor weiteren Verletzungen, die sie in unterschiedlichster Weise erfahren mussten, zu schützen. „Nichts geschieht, ohne dass Gott mitgeht“, so Sr. Mediatrix. „Diesen Gedanken möchten wir an die Kinder weitergeben. Gott akzeptiert unsere Freiräume.“
Landrat Frank Beckehoff ließ es sich natürlich auch nicht nehmen, persönlich seine Glückwünsche auszusprechen. „Das Josefshaus ist eine Institution, die mit gutem Geist und Leben gefüllt ist. Den Kindern eine Chance zu geben, war damals schon eine Herzensangelegenheit, und dieses Ziel wird bis heute verfolgt“, so Beckehoff. Mit den Herausforderungen der Zeit habe sich das Josefshaus vom Waisenhaus zu einer fachkundigen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung entwickelt. Der Landrat bedankte sich für die gute Zusammenarbeit mit einem verlässlichen und kompetenten Kooperationspartner nicht nur für das Jugendamt des Kreises Olpe.
Ein besonderes Highlight des Tages stellte der Vortrag von Prof. Dr. Klaus Wolf, Professor für Sozialpädagogik und Soziale Arbeit an der Universität Siegen, längjährig erfahrener Wissenschaftler und Jugendforscher mit Schwerpunkt Pflegekinder, Heimerziehung und ambulante erzieherische Hilfen, dar.
Sein Thema: „Wozu brauchen wir noch Heimerziehung?“ provozierte ganz bewusst die Auseinandersetzung mit genau dieser Frage: Was bekommen wir als Gesellschaft eigentlich wieder, wenn wir solche Unsummen Jahr für Jahr in die stationäre Jugendhilfe stecken? Macht das Sinn? – eine durchaus berechtigte Frage!
Auf seine ganz persönliche charmante Art und Weise setzte Prof. Dr. Wolf nach kurzen anerkennenden Worten für das Josefshaus, das er als „eine widerstandsfähige Einrichtung“ bezeichnet, „die im Laufe der Zeit viel erlebt hat, menschlich, wie auch ökonomisch“, seinen Lobhudeleien dann auch abrupt ein Ende. Mit „genug des Lobs, jetzt sag ich mal, wie es wirklich ist, weil ich bin ja hier für den Fachvortrag“, eröffnete er den Zuhörern einen spannenden Bericht über seine wissenschaftlichen Erkenntnisse aus 30 Jahren Erfahrung, die ihn davon überzeugt haben, bei aller kritischen Auseinandersetzung zum Für und Wider der stationären Jugendhilfe, dass auch heute noch Heimerziehung tatsächlich Sinn macht.
Dass Kinder nicht immer im familiären System aufgefangen und gut versorgt werden können, sei kein neues Thema. Und auch, dass man als Mitarbeiter die Dinge nicht ungeschehen machen könne, sei nicht neu. Aber mit professionellem Wissen und einer menschenfreundlichen Haltung können Wendepunkte in den Biografien der Kinder geschaffen werden. „Sie ermöglichen den Kindern und Jugendlichen sensationelle neue Erfahrungen!“ Für die Kinder sei es später wichtig, dass sie rückwirkend interpretieren können, dass Erwachsene für sie da waren und sich um sie sorgten, solange die eigenen Eltern dies nicht leisten konnten. Die Kinder lernen eine stabile Versorgung und berechenbare, zuverlässige Beziehungen kennen. Dieses Vertrauen (wieder) herzustellen, sei oftmals ein langer und mühseliger Weg, der in einer Pflegefamilie oder über die ambulante Jugendhilfe nicht immer geleistet werden könne. An dieser Stelle hob er in seinem Vortrag ausdrücklich die wichtige Stellung der Pädagogen hervor, die direkt an der Basis tagtäglich die Kinder versorgen und betreuen. Für diese Kinder, die in einem derartigen Ausmaß die Zuverlässigkeit austesten müssen, um sicher zu gehen, dass sie trotzdem „ausgehalten“ werden, dafür sei die stationäre Jugendhilfe der sichere Ort, an dem sie bleiben können.
„Wir arbeiten an einem richtig wichtigen Auftrag!“ Mit diesen Worten beendete Prof. Dr. Wolf seinen Vortrag, der die Zuhörer zum Nach- und Weiterdenken anregte.
Zu guter Letzt ergriff Einrichtungsleiter Reinhard Geuecke das Wort. „Der Fokus dieser Veranstaltung ist auf die Partner der Einrichtung gerichtet“, aber ansonsten sei es ganz klar, dass die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt der weiteren Feierlichkeiten stehen werden, betonte er. Es gebe viel Diskussionsbedarf, aber letztendlich komme man immer wieder auf den gemeinsamen Nenner: Menschen in prekären Lebenslagen zu helfen. Reinhard Geuecke freut sich auf die Zukunftsthemen, und dass er gemeinsam mit allen Verantwortlichen daran arbeiten darf. Nun ja, und „was sind schon vier Monate gegen 150 Jahre“, schmunzelte er - vier Monate, seit er die Nachfolge von Magdalena Knäbe angetreten ist, als Einrichtungsleiter des Josefshauses. „Es macht stolz, hier vorne zu stehen und auf diese Zeit zu blicken, in der sich das Josefshaus zu dem entwickeln konnte, was es heute ist“. Ebenso stolz präsentierte er dann das Buch zum Jubiläum: „150 Jahre Josefshaus“. Das Buch ist keine Festschrift, sondern vielmehr ein Lese-, Aufklärungs-, Insider- und Mutmachbuch, ein Buch mit Geschichten von Menschen, die das Josefshaus ausmachen, von Menschen, die dort leben und arbeiten, von Menschen, die das Haus geprägt haben. Darin sind nicht nur Geschichten, sondern auch Interviews, Sachtexte, Fotos, Anekdoten und Fakten.
Für 10,-€ ist es in den Buchhandlungen in Olpe (Buchhandlung Dreimann), Attendorn (Buchhandlungen Frey, Hintermeier und Hoffmann), Lennestadt und Drolshagen erhältlich.
Die musikalische Begleitung des Tages lag in den Händen und Stimmen des Vocal Ensemble Twende, die das Programm durch tief bewegende Musikstücke ergänzten und dem Anlass entsprechend die persönliche Note verliehen. Im Anschluss an die Veranstaltung wurde bei einem leckeren Imbiss zum Austausch und Verweilen eingeladen. Das Beisammensein im stimmigen Ambiente rundete die Veranstaltung ab.